Im Rahmen der Aktion „Schnitzeljagd que(e)r über den Regenbogen“ durfte ich Juli Hex ein paar Fragen zu sich stellen.
Was bedeutet dir das Schreiben?
Auf die Gefahr hin, jetzt direkt total kitschig zu starten: Schreiben ist neben meiner Familie, das Wichtigste auf der Welt für mich. Denn es bietet mir zum einen die Möglichkeit zu kommunizieren, aber zum anderen auch zum Reflektieren, eigene Gefühle durch fiktive Personen zu verarbeiten und neue Lebensrealitäten kennenzulernen. Schreiben ist mein Ventil, um mit mir, meinen Gefühlen und der Welt klarzukommen, aber auch, um mal ganz neue Perspektiven einzunehmen. Durch meine Geschichten kann ich viele verschiedene Leben kennenlernen, reinschnuppern, ohne selbst zu weit aus meiner introvertierten Haut rauskommen zu müssen. Mit jeder Geschichte wachse ich dadurch auch ein bisschen und ich glaube, genau das alles macht es so bedeutsam für mich.
Woher bekommst du die Inspiration zu deinen Büchern?
Ganz ehrlich: Das würde ich auch manchmal gerne wissen. Ich würde euch jetzt gerne eine richtig gute Antwort über verschiedene Inspirationsquellen geben, und ab und an sind da auch wirklich die Klassiker, wie Musik oder Gespräche, mit dabei. Aber die meisten Geschichten, die es bis jetzt auch zu Papier gebracht haben, waren einfach da. Da ist plötzlich einfach random eine Szene, ein Dialog, ein erster Satz, ein Protagonist oder ganz oft auch ein Was-wäre-wenn-Szenario in meinem Kopf. Das ist ein bisschen wie ein Funke, der überspringt. Und das löst dann wie eine Art Film bei mir aus, einen den ich am liebsten sofort aufschreiben will.
Wahrscheinlich werde ich also unterbewusst inspiriert, mein Gehirn verarbeitet das irgendwie und spukt mir dann diesen Funken vor die Füße, der mich so hyped macht, dass ich am liebsten ununterbrochen schreiben würde.
Elias und Takashi unterhalten sich über Schauplätze an denen verschie- dene Geschichten spielen. Welches Land, welche Stadt oder welchen Ort magst du am liebsten in Geschichten?
Als Lesender liebe ich ja einsame Orte. Nordische Länder, Schottland, irgendeine kleine raue Insel. Schauplätze wo es nicht zu viel Außen gibt und die Prota- gonist*innen mehr auf das innen schauen müssen.
Beim Schreiben bin ich gerade mega stolz, dass ich sowas wie eine eigne fiktive Stadt erschaffe. Dort können sich theoretisch fast all meine Charaktere aus früheren und künftigen Büchern treffen.
Hast du auch schon Fanfiction-Geschichten geschrieben? Wenn ja, kann man diese noch irgendwo lesen?
Fanfictions nehmen einen unglaublich bedeutsamen Teil meines Lebens zwischen 13 und 25 ein. Zuerst habe ich mich im Fandom meiner Lieblingsbands bewegt, aber dann auch freie Geschichten geschrieben.
Leider – oder zum Glück, ich weiß es nicht genau, wie ich mich damit fühle – war das Profil dann so lange inaktiv, dass es von der Plattform, auf der ich veröffentlicht habe, gelöscht wurde. Ist aber vielleicht auch besser so, denn ich habe in diesen Geschichten viel eigenes Trauma, schlechte Gefühle und teilweise auch toxische Gedanken einfach unreflektiert in die Welt entlassen. Ich würde mich nicht mehr wohlfühlen, dass andere den Menschen, der ich damals war – ohne Hilfe, Diagnosen, stabiles Umfeld und teilweise auch ohne Rücksicht – jetzt so kennenlernen könnten. Diese Geschichten habe ich vor allem für mich geschrieben, nicht für Lesende. Sie haben mir geholfen dahin zu kommen, wo ich jetzt bin, aber vielleicht ist es ganz gut, dass sie irgendwo im Datennirvana verschwunden sind. Auch für mich.
Was bedeutet dir „Mit dir über Schatten springen“
„Mit dir über Schatten springen“ ist bislang das wichtigste Buch für mich, was ich geschrieben habe. Es hat für mich vor allem bedeutet, nochmal kurz in eine Jugend hineinzuschnuppern, eine, wenn ich damals schon gewusst hätte, warum ich mich so fühle, wie ich mich fühle. In der ich wüsste, dass mit mir nichts falsch ist, sondern ich einfach nur trans* bin.
Besonders die Gespräche zwischen Elias und seiner Mutter bedeuten mir ganz viel, weil es Gespräche sind, die meine Mama und ich leider nicht mehr führen konn- ten.
Insgesamt bedeutet es Freiheit für mich, ankommen. Elias und ich sind uns sehr ähnlich und ich habe ganz unbewusst sehr viel von mir zwischen diese Zeilen fließen lassen.
Welches Buch hättest du dir als Kind/Jugendlicher gewünscht?
Ein solches Buch ist zum einen „Fangirl“ von Rainbow Rowell, weil ich gern schon viel früher gewusst hätte, dass mich das Fanfictionsschreiben weiterbringt, dass ich mich nur davon lösen und den Schritt zu ganz eigenen Geschichten und Buchver- öffentlichungen trauen muss und dann schon alles irgendwie gut wird, solange ich zu meinen Geschichten stehe.
Aber besonders auf Queerness bezogen, hätte ich gerne überhaupt Bücher gehabt. Denn den einzigen Bezug zur Queerness hatte ich in Fanfictions gefunden.
Dadurch hat sich das immer so angefühlt, als sei das nur eine winzige Ecke im Inter- net, aber nichts, was man einfach so im Buchladen kaufen kann. Bücher wie „Camp“ von L.C. Rosen, „Yadriel & Julian“ von Aiden Thomas oder auch „Heartstopper“ und generell die Bücher von Alice Oseman, hätten so gutgetan. Deshalb lese ich momentan auch kaum etwas anderes als queere Literatur, weil es sie endlich gibt und so viele Menschen endlich gesehen werden.
Dann ist da aber natürlich noch „Ich bin Linus“ von Linus Giese, was ich als Jugendlicher ganz dringend gebraucht hätte. Dieses Buch zu lesen, war unglaublich heilsam für mich und es schon früher gehabt zu haben, hätte mir viele Jahre Suche und teilweise auch Schmerz erspart. Aber sicherlich hat es einen Grund, warum so wichtige Bücher erst zu einem bestimmten Zeitpunkt ins eigene Leben kommen.
Generell hätte ich einfach gerne Bücher voller queerer Menschen gesehen. Denn irgendwie habe ich mich durch fehlende Repräsentation echt ziemlich allein gefühlt.
Zum Glück verändert sich da gerade etwas.
Auf Instagram sprichst du offen über viele Themen, auch persönliche, wie Mental health, trans* und nonbinär sein und Diversion. Viel Dir dieser Schritt schwer? Welche positiven Erlebnisse hast du dadurch schon erfahren können, falls du das teilen magst.
Mir war relativ schnell klar, dass es mir bei Social Media vor allem darum geht, selbst einen Safe Space zu haben. Wo ich mich zeigen kann, wie ich bin. Als psychisch kranker Autist müsste ich sonst permanent maskieren, permanent eine Rolle spielen und so würde ich das alles gar nicht leisten können. Es war also ein superleichter Schritt für mich, dann auch noch über meine Geschlechtsidentität zu reden. Irgend- wie war es befreiend. Ich meine, ich stehe ja noch relativ weit am Anfang meiner Transition und ich möchte aber einfach richtig angesprochen werden, möchte Men- schen darauf hinweisen, dass man Geschlecht nicht am Aussehen festmachen kann. Und für mich persönlich war es am leichtesten da in die Offensive zu gehen und das einzufordern.
Vor allem geht es aber auch darum, dass ich, egal wie groß oder klein, eine Reich- weite habe und so meinen Safe Space auch zum Safe Space anderer machen kann. Wenn ich mich zeige, mit all meinen Struggles, Siegen und Gefühlen, indem ich aufkläre und sensibilisiere, haben es andere vielleicht leichter.
Das bringt vor allem auch positive Erlebnisse mit sich, wie Menschen, die selbst das binäre Geschlechtssystem in Frage stellen, Menschen, die achtsamer durch den Alltag gehen und dadurch vielleicht für jemanden, der von einem Thema betroffen ist, einen Unterschied machen. Aber auch andere Schreibende, die dazu beitragen wollen mehr gute Repräsentation zu schaffen.
Über welche Themen möchtest du in Zukunft noch schreiben?
Da gibt es ganz viel. Definitiv möchte ich über Drag Queens & Kings, Poly-Bezie- hungen, Trauer und auch Autismus schreiben. Aber auch noch mehr über Menschen im ace/aro Spektrum, über Einsamkeit, Vampire und generell Ängste. Und über Dinos. Die Welt braucht mehr Dino-Geschichten.
Worauf freust du dich noch in diesem Jahr (Urlaub, Buchveröffentli- chung, Messe, etc.)?
Ich bin ja ein Mensch, der nicht so viel planen kann, weil mir mein Kopf auf die unterschiedlichsten Arten einen Strich durch die Rechnung machen kann. Aber ich freue mich noch auf ein paar schöne Wanderungen mit meinem Partner und unseren Hunden, sowie auf noch ein paar spannende Buchveröffentlichungen, die noch kommen werden.
Möchtest du deinen Leser*innen noch etwas sagen?
Vor allem möchte ich DANKE sagen! Danke, dass ihr euch immer wieder auf meine Geschichten einlasst. Danke für euren Support und auch Danke für die vielen lieben Nachrichten. Oft denkt man, dass Schreiben sehr einsam ist, aber mit Leser*innen wie euch, die mitfiebern, die Geschichten und Charaktere hypen, die in Bücher malen und mir manchmal auch einfach nur ein Alpaka-Emoji schicken, bin ich nie allein.
Vielen Dank an Ju Hex!