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Rezension zu „Durch das große Feuer“

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Es gibt Bücher, die kann ich nur alleine in meinen vier Wänden lesen, da sie mich emotional zu sehr mitnehmen. „Durch das große Feuer“ gehört dazu.

Rezension zu „Durch das große Feuer“

Alice Winn

Eisele Verlag

9783961611607

24,-€/19,99€

Klappentext: England, 1914: Für die englischen Eliteschüler Henry Gaunt und Sidney Ellwood ist der Erste Weltkrieg noch sehr weit weg. Nur über die wöchentlichen Meldungen in ihrer Schülerzeitung erfahren sie von den jungen Männern, die im Kampf an der Front ihr Leben lassen, und feiern sie als Helden. Doch Gaunt ist viel mehr beschäftigt mit der unterdrückten Anziehung, die er für seinen charmanten Freund Ellwood empfindet, ohne zu ahnen, dass auch dieser Gefühle für ihn hegt. Als sich die beiden schließlich nacheinander bei der britischen Armee melden, holt die Realität des Krieges sie schnell ein – und verändert das Leben und die Freundschaft der beiden Männer auf unvorhersehbare Weise.

Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, für alle die mich nicht kennen, dass ich verdammt nah am Wasser gebaut bin. Und während andere diese Geschichte vielleicht als nicht so emotional empfinden, habe ich Rotz und Wasser geheult. Nach ein paar Kapiteln stand für mich fest, dass ich dieses Buch nicht in der Öffentlichkeit lesen kann. Weder unterwegs im Zug, noch in meiner Pause auf Arbeit, denn ich lief Gefahr, dass mich auf der nächsten Seite ein Schicksal in Tränen ausbrechen ließ. Und so war es. Was mich vor allem so mitgenommen hat, ist die wahre Begebenheit hinter der Geschichte. Es sind nicht unbedingt die beiden jungen Männer, eigentlich noch Jugendliche, aber im Nachwort werden einige Fakten genannt, auf denen einzelne Stellen beruhen. 
Ich kann mich nicht erinnern, dass sich in meiner Schulzeit groß mit dem Ersten Weltkrieg befasst wurde. Der Fokus lag da doch auf dem Zweiten und dieser natürlich aus der Sicht der Deutschen.
In „Durch das große Feuer“ geht es aber um zwei Engländer, ihr Leben zu der Zeit, ihrem Einsatz für ihr Vaterland und ihre Liebe zueinander. 
Das Buch ist in drei Teile geteilt. Der erste Teil beschäftigt sich mit dem Leben auf der Eliteschule, abseits vom Schlachtfeld. Wir lernen Ellwood und Gaunt kennen, was sie ausmacht, wie sie zueinander stehen. Im zweiten Teil geht es dann um den Krieg. Und da wird nichts verschönt. Er ist hässlich und grausam, brutal und schrecklich und die Überlebensdauer von durchschnittlichen Offizieren beträgt drei Monate. Was das mit einem macht, welche Gefahren überall lauern, wie dieser Krieg die Menschen verändert beschreibt Alice Winn sehr eindrücklich und klar. Viele Mitschüler und Freunde von Ellwood und Gaunt kommen und bleiben auf dem Schlachtfeld zurück. Die Autorin schreibt dabei nicht nur im Fließtext, sondern benutzt auch Briefe, sowie die Schülerzeitung, um das Ausmaß des Krieges und die Gefühlswelt der Protagonisten zu zeigen.
Zum dritten Abschnitt werde ich nichts sagen, da dies spoilern würde.

Was mich sehr beeindruckt hat, ist der Nationalstolz, den fast alle Schüler empfinden. Diese Vorfreude, in den Krieg zu ziehen und für sein Land zu kämpfen. Wie sie vor Vorfreude und Aufregung zittern, wenn sie endlich in die Schlacht ziehen dürfen. Einige melden sich, obwohl sie unter dem Mindestalter sind. Und ich habe mich während des Lesens oft gefragt: Warum führt man diesen sinnlosen Krieg? Warum opfert man diese jungen Menschen als Kanonenfutter? Es geht soweit, dass sie sich zum Kampf erheben, auch wenn die Schlacht aussichtslos erscheint. Am Ende zu lesen, dass die Nachrufe im Buch auf echte aus der damaligen Zeit beruhen, hat mich innerlich zerrissen. Auch wenn es sich bei dem Buch um einen fiktiven Roman handelt, so ist er es eben doch nicht.

Es spielt aber nicht nur der Krieg eine große Rolle, sondern auch die Liebe, auch wenn es für mich kein Liebesroman ist. Da Homosexualität verboten war, war es Ellwood und Gaunt nicht möglich, ihre Liebe füreinander offen zu zeigen, geschweige denn überhaupt darüber zu reden. Auch anderen Kameraden ergeht es so und es war schmerzhaft zu lesen, welches Schicksal diese Männer ereilte.
Die Gefühle zwischen Ellwood und Gaunt zeigen sich zu Anfang in kleinen Handlungen, manchmal unbeholfen, versteckt zwischen den Zeilen, aber am Ende lässt sie sich nicht unterdrücken und will ausbrechen. Aber der Krieg verändert einen…
Beide sind nicht perfekt, jeder hat seine Eigenarten und eine Maske, die er trägt. Ellwood rezitiert gerne Gedichte und da ging es mir wie Gaunt, ich habe die meiste Zeit nicht verstanden, was Ellwood mit den Zeilen ausdrücken möchte. Was ich ein bisschen schade fand, da sich diese durch das ganze Buch ziehen, aber ich hatte auch nicht das Gefühl, dadurch etwas nicht verstanden zu haben. Gaunt hingegen mag lieber Altphilologie, womit ich genauso wenig anfangen kann.
Des Weiteren geht die Autorin im Buch auch auf Religion, Rassismus und die Klassengesellschaft ein.

Dieses Buch ist nichts für Leser*innen mit einem schwachen Magen, denn die Szenen auf dem Schlachtfeld werden von Alice Winn detailliert beschrieben. Dabei empfand ich die Gasangriffe am verabscheulichsten. 
Ich finde, Alice Winn schreibt sehr authentisch, passend für die Zeit. Es war wie ein Sog und ab der Hälfte der Geschichte konnte ich auch nicht mehr aufhören zu lesen und habe so nach langer Zeit mal wieder eine Nacht durchgemacht – mit jeder Menge Taschentücher an meiner Seite. Ich musste so manches Mal auch etwas vorblättern, da ich die Spannung nicht aushielt, ob alle durchkommen oder wieder jemand getötet werden würde. 

„Durch das große Feuer“ ist Alice Winns Debütroman und für mich schon jetzt ein Jahreshighlight, das mich sicherlich noch einige Zeit beschäftigen wird.

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